Ein Denkmal für Tile Kolup
Fliesen-Mosaik-Projekt
Tile Kolup - ein
Bettler, der sich im Jahr 1285 in Wetzlar als Kaiser Friedrich
der II. ausgab, aber kurz darauf als Ketzer verbrannt wurde,
ist in der Wetzlarer Stadtgeschichte ein wenig in
Vergessenheit geraten, bis die Wetzlarer
Arbeitsloseninitiative e. V. WALI im Jahr 2001 begann,
sich mit ihm zu beschäftigten. Wer war dieser Bettler, der den
Mut und die Dreistigkeit hatte, sich als der bereits in
Italien verstorbene Kaiser Friedrich auszugeben und in Wetzlar
als Herrscher einzumarschieren? Und warum wurde er zunächst
von den Stadtvätern geduldet, bis das Heer vom nun regierenden
Kaiser Rudolf vor Wetzlars Toren stand und seine Auslieferung
verlangte? Auf der Suche nach diesen Fragen recherchierten
Arbeitsgruppen in der WALI in Stadtarchiv und historischen
Dokumenten. In kreativen Gruppen und Workshops wurden ein
Großbild gemalt, Theaterstücke entworfen und gespielt,
Skulpturen gebaut und historische Umzüge veranstaltet. Die
Themenfelder "Armut und Reichtum", "Macht und Ohnmacht" wurden
nicht nur in bezug auf damals sondern auch in ihrer heutigen
Aktualität bearbeitet und kreativ umgesetzt. So wurden
Theaterstücke im Wetzlarer Lottehof und auf der Lahninsel
aufgeführt, Recyclingskulpturen ausgestellt u.v.m.
Schließlich
entstand die Idee, ein Denkmal für den Bettler zu errichten,
der es gewagt hat, den Thron zu besteigen. Auf der Grundlage
eines alten Stuhls entstand ein Flammenthron der anregt, das
Wort "Denkmal" kann als Aufforderung aufzugefassen: „Denk
mal!“ und als Ermunterung zum entsprechenden Handeln. Ein
Jeder kann den Thron besteigen und sich darauf
setzen (und vielleicht in besonderer Aufmachung fotografieren
lassen), er hat Gelegenheit, aus grauem Alltag auszusteigen
und sich zu krönen, Gelegenheit, sich seiner Bedeutung klar zu
werden und Gedanken darüber zu machen, wohin der Weg führen
soll, die Chance, mit der symbolhaften Zepterergreifung sein
Schicksal in die Hand zu nehmen und einen emanzipativen Akt zu
vollziehen.
Das
Zentrum für High Tech und Kultur, ein Gewerbepark auf den
ehemaligen Spilburggelände bot seine Logistik und
Unterstützung für die Verwirklichung dieses großen Projektes
an. Baufirmen aus dem Zentrum für High Tech und Kultur bauten
nach den Entwürfen der WALI den "Rohling". Nun ging es an die
letzte Projektphase, in der eine Gruppe Erwerbsloser unter
meiner Anleitung den Flammenthron mit buntem Fliesen-Mosiak
gestaltete und damit "zum Leben erweckten". Hier mussten
zunächst die von verschiedenen Firmen gespendeten Fliesen
zurechtgeklopft und abgeschliffen werden - eine wahre
Fleißarbeit. Dann ging es an die Gestaltung. Stück für Stück
arbeitete sich die Gruppe voran: von hinten nach vorn und von
oben nach unten nahm der Thron immer mehr farbige Gestalt an.
Dabei brachten erwerbslose Fliesenleger/innen genauso ihre
Kenntnisse ein wie gestalterisch Interessierte mit dem Sinn
fürs Detail und der Fingerfertigkeit für knifflige Stellen.
Alle zusammen konnten erleben, wie aus dem weißen Rohling ein
strahlendes Denkmal wuchs, an dem jede/r auf seine Weise
mitgearbeitet hatte.
Gleichzeitig
bereitete sich in der WALI ein Chor auf die Denkmalseinweihung
vor, die am 16.11.2005 feierlich und teilweise in historischen
Kostümen vollzogen wurde. Das Denkmal steht am Eingang des
Wetzlarer Spilburg-Geländes gegenüber Café Bar Springtown und
ist für alle Interessierten jederzeit zu besichtigen und zu
"besteigen". Weitere Informationen Einladungsflyer
mit Chronik der WALI-Projekte zu Tile Kolup und Festrede
von Dr. Helmut Scharf.
Weitere
Informationen zum Thema Erwerbslosigkeit
Auf
dieser Seite:
Arbeitslosigkeit
(Themeninfo)
Projekt: Mit Kreativität und
Eigeninitiative zum Wiedereinstieg in das Berufsleben -
Leitfaden für Kulturprojekte
Projekt:
Hörspiel Soziale Gerechtigkeit und
Hartz IV
Projekt: Skulpturen für Gießen
Projekt: Arbeitslosigkeit als Spiel
Projekt: Theater und Maskenbau mit
Erwerbslosen zum Thema Vorurteile
Projekt: Puppenbau und
Puppentheaterspiel
Projekt: Gips-Workshop zu
beruflichen Wünschen und Perspektiven
Projekt: Anders leben - anders
arbeiten
Projekt:
Erwerbslosen-Theater
Auf
anderen Seiten:
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