Arbeitslosigkeit und Gesundheit
Arbeitslosigkeit
macht krank –
belegen
inzwischen immer mehr Studien. Statistiken der Krankenkassen
zeigen, dass Arbeitslose rund doppelt so häufig krank
geschrieben sind wie Erwerbstätige. Sie müssen doppelt so oft
ins Krankenhaus und bleiben dort zweieinhalb mal so lang. Und
sie haben eine geringere Lebenserwartung. Diese vielleicht
erschreckenden Zahlen sind für uns, die wir in der Praxis mit
Arbeitslosen arbeiten leider nichts neues. Denn gesundheitliche
Probleme stehen für viele Menschen, die in
Arbeitsloseninitiativen oder Beratungsstellen kommen, im
Vordergrund.
Im Qualifizierungsprojekt
der Arbeitsloseninitiative Gießen e. V. waren in den
letzten 2 Jahren von den 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern 42
von massiven gesundheitlichen Problemen oder Einschränkungen
betroffen, nur 10 waren gesundheitlich nicht vorbelastet. 11
Personen mussten die Teilnahme am Projekt sogar aufgrund lang
anhaltender Krankheit, Klinikaufenthalten oder großen
gesundheitlichen Belastungen abbrechen.
Von den Erwerbslosen
mit gesundheitlichen Belastungen, die in das Projekt kommen, ist
ein erheblicher Anteil von Depressionen betroffen. Des weiteren
sind andere psychische Erkrankungen wie zum Beispiel
Angststörungen oft vertreten. Diese Erkrankungen stehen oft in
direktem Zusammenhang mit lang andauernder Arbeitslosigkeit, dem
Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, den sich einstellenden
Zukunftsängsten und dem mit der Erwerbslosigkeit verbundenen Stress. Aber auch
Suchterkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, schwere
Allergien, Diabetes und Rückenleiden sind nicht selten. Viele
Erwerbslose haben jahrelang schwere körperliche Arbeit
verrichtet oder unter psychisch krank machenden Bedingungen
gearbeitet und z.B. Mobbing erlebt. Die Folgen dieser
Arbeitsbedingungen waren chronische Erkrankungen, die ihnen nun
die Chance auf eine neue berufliche Perspektive erschweren.
Entgegen landläufiger Meinungen ist
Arbeitslosigkeit kein Zustand, in dem man sich ausruhen kann,
sondern erzeugt Stress. Das belegen inzwischen auch viele
Studien. Ungewissheit und Zukunftsängste erzeugen Stress, jede
Bewerbungssituation bedeutet Druck und Angst zu versagen.
Absagen nagen am Selbstbewusstsein. Auflagen, Forderungen vom
JobCenter oder Geldkürzungen kommen hinzu. Hinzu kommen oftmals
Folgeprobleme von Armut wie Schulden und Vereinsamung.
Mutlosigkeit und Ratlosigkeit machen sich breit. Dazu kommt das
Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden und überflüssig zu sein.
Erfolgserlebnisse, die im Arbeitsleben ja durchaus vorhanden
waren, brechen weg. Dies alles zerstört Zutrauen und
Selbstbewusstsein.
Der andauernde
finanzielle Mangel, wirkt sich oftmals auch negativ auf die
Gesundheit aus: kein Geld mehr für Schwimmbad und Sportverein,
für gesunde Ernährung oder warme Winterkleidung. Und oftmals
fehlen am Monatsende dann sogar die 10 Euro für den Arztbesuch,
die Zuzahlung für die notwendigen verschriebenen Medikamente
oder das Geld für die Arzneien (wie z.B. viele leichte
Schmerzmittel), die aus der Rezeptpflicht herausfallen und
selbst bezahlt werden müssen. Letzteres trifft im übrigen auch
zu auf die immer größere werdende Zahl der „Aufstocker“ - all
jene Menschen, die arbeiten – teilweise Vollzeit – , aber
aufgrund zu geringer Löhne oder prekärer Arbeitsbedingungen
nicht einmal über den Hartz-IV-Satz für sich bzw. sich und ihre
Familie kommen.
Auch für die
Aufrechterhaltung sozialer Kontakte ist oft kein Geld mehr da,
viele schämen sich ihrer Situation und brechen daher die
Kontakte ab. Auch dies wirkt sich negativ auf Psyche und
Gesundheit aus. Im manchen Fällen kommt es regelrecht zur
Vereinsamung. Insbesondere viele allein Lebende verzichten in
Folge des unstrukturierten Tagesablaufs auf regelmäßige
Mahlzeiten, leiden unter Einsamkeit und Resignation.
Ursachen und
Wirkungen greifen hier ineinander: wer chronisch oder länger
krank ist, wird schneller entlassen und findet auch nicht so
schnell wieder einen neuen Job – ist dadurch länger arbeitslos,
was sich wiederum negativ auf seine Gesundheit auswirkt. Wer
durch den Job krank geworden ist – berufsbedingte Allergien,
Rückenschäden, Burn-Out, Arbeitsunfälle – muss sich zusätzlich
neu orientieren und ggf. in einem neuen Arbeitsbereich wieder
„von vorne anfangen“.
Arbeitsloseninitiativen
können mit Treffangeboten, gemeinsamem Frühstück, kreativen
Angeboten, Beratung und Selbsthilfetreffs diesem Kreislauf etwas
entgegensetzen. Diese Angebote sind ein kleiner Teil - oft nur
über Projekte finanziert oder ehrenamtlich getragen, der
zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Arbeitslosen
etwas beitragen kann. Um sie aufrecht zu erhalten wären
dauerhafte und langfristig abgesicherte Angebote. Notwendig
wären auch
-
Kostenlose
Gesundheitsleistungen für Hartz IV Bezieher ohne Zuzahlung
-
der Ausbau der
niedrigschwelligen gesundheitspräventiven Angebote für
Erwerbslose
-
die
Stresssituation „Arbeitslosigkeit“ durch tatsächliche,
praktische Unterstützung entschärfen – und nicht durch
Bewerbungsdruck und erzwungene Maßnahmen („das sogenannte
Fordern“) - noch vergrößern – und das wäre ganz wichtig
insbesondere für die Menschen, die bereits psychisch
vorbelastet oder chronisch krank sind
-
und letztendlich
Armut und die damit verbundenen Belastungen und Risiken zu
entschärfen durch die Anhebung der Hartz IV Sätze und die
längst überfälligen Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohnes.
Weitere Informationen und
Kampagnen:
Caritas "Armut macht krank" http://www.caritas.de/kampagne2012/fakten/
Weitere
Informationen, Konzept- und Projektbeispiele zum Thema
Erwerbslosigkeit finden Sie auf folgenden Seiten:
Konzept: Mit Kreativität und
Eigeninitiative zum Wiedereinstieg in das Berufsleben -
Leitfaden für Kulturprojekte
Konzept:
Qualifizierungsprojekt für Erwerbslose für die
Arbeitsloseninitiative Gießen e. V.
Erwerbslosen-Theater
Kulturseminar "Alles
oder nichts" - kreative Auseinandersetzung mit Armut und
Reichtum
Hörspiel Soziale Gerechtigkeit und
Hartz IV
Skulpturen für Gießen
Arbeitslosigkeit als Spiel
Anders leben - anders
arbeiten
Inklusion
Aktion:
Arbeitslosigkeit überbrücken
Auf der Seite Veröffentlichungen
finden Sie weitere Artikel zum Thema Erwerbslosigkeit.
Einige
Arbeitsloseninitiativen:
Kompass-Initiativen in
Südhessen (Darmstadt, Dieburg, Groß Gerau u.a.)
Arbeitsloseninitiative
Gießen e. V.
Arbeitsloseninitiative im
Lahn-Dill-Kreis WALI e. V.
Hilfe im
Nordend der evangelischen Luthergemeinde Frankfurt
Informationen
und Beratung zu Erwerbslosigkeit und Hartz IV auf anderen
Seiten:
Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V.: http://www.erwerbslos.de
Anti-Hartz-Bündnis: http://www.anti-hartz.de/
Sozialhilfeberatung Tacheles: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/
Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen e.V.: http://www.bag-shi.de/
Arbeitslosen-Netz mit Forum: www.arbeitslosen-netz.de
www.bunte-projekte.de
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