Bunte Projekte

 


Martina Bodenmüller

Diplom-Pädagogin
Gestaltungs-Sozialtherapeutin
wissenschaftliche Autorin

 

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Letzte Aktualisierung:
Mai 2018

 


Arbeitslosigkeit und Gesundheit

Arbeitslosigkeit macht krank –

Theaterprojekt mit der Arbeitsloseninitiative Gießen e. V. belegen inzwischen immer mehr Studien. Statistiken der Krankenkassen zeigen, dass Arbeitslose rund doppelt so häufig krank geschrieben sind wie Erwerbstätige. Sie müssen doppelt so oft ins Krankenhaus und bleiben dort zweieinhalb mal so lang. Und sie haben eine geringere Lebenserwartung. Diese vielleicht erschreckenden Zahlen sind für uns, die wir in der Praxis mit Arbeitslosen arbeiten leider nichts neues. Denn gesundheitliche Probleme stehen für viele Menschen, die in Arbeitsloseninitiativen oder Beratungsstellen kommen, im Vordergrund.

Im Qualifizierungsprojekt der Arbeitsloseninitiative Gießen e. V. waren in den letzten 2 Jahren von den 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern 42 von massiven gesundheitlichen Problemen oder Einschränkungen betroffen, nur 10 waren gesundheitlich nicht vorbelastet. 11 Personen mussten die Teilnahme am Projekt sogar aufgrund lang anhaltender Krankheit, Klinikaufenthalten oder großen gesundheitlichen Belastungen abbrechen.

Von den Erwerbslosen mit gesundheitlichen Belastungen, die in das Projekt kommen, ist ein erheblicher Anteil von Depressionen betroffen. Des weiteren sind andere psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Angststörungen oft vertreten. Diese Erkrankungen stehen oft in direktem Zusammenhang mit lang andauernder Arbeitslosigkeit, dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, den sich einstellenden Zukunftsängsten und dem mit der Erwerbslosigkeit verbundenen Stress. Aber auch Suchterkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, schwere Allergien, Diabetes und Rückenleiden sind nicht selten. Viele Erwerbslose haben jahrelang schwere körperliche Arbeit verrichtet oder unter psychisch krank machenden Bedingungen gearbeitet und z.B. Mobbing erlebt. Die Folgen dieser Arbeitsbedingungen waren chronische Erkrankungen, die ihnen nun die Chance auf eine neue berufliche Perspektive erschweren.

Theaterprojekt mit ALI GießenEntgegen landläufiger Meinungen ist Arbeitslosigkeit kein Zustand, in dem man sich ausruhen kann, sondern erzeugt Stress. Das belegen inzwischen auch viele Studien. Ungewissheit und Zukunftsängste erzeugen Stress, jede Bewerbungssituation bedeutet Druck und Angst zu versagen. Absagen nagen am Selbstbewusstsein. Auflagen, Forderungen vom JobCenter oder Geldkürzungen kommen hinzu. Hinzu kommen oftmals Folgeprobleme von Armut wie Schulden und Vereinsamung. Mutlosigkeit und Ratlosigkeit machen sich breit. Dazu kommt das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden und überflüssig zu sein. Erfolgserlebnisse, die im Arbeitsleben ja durchaus vorhanden waren, brechen weg. Dies alles zerstört Zutrauen und Selbstbewusstsein.

Der andauernde finanzielle Mangel, wirkt sich oftmals auch negativ auf die Gesundheit aus: kein Geld mehr für Schwimmbad und Sportverein, für gesunde Ernährung oder warme Winterkleidung. Und oftmals fehlen am Monatsende dann sogar die 10 Euro für den Arztbesuch, die Zuzahlung für die notwendigen verschriebenen Medikamente oder das Geld für die Arzneien (wie z.B. viele leichte Schmerzmittel), die aus der Rezeptpflicht herausfallen und selbst bezahlt werden müssen. Letzteres trifft im übrigen auch zu auf die immer größere werdende Zahl der „Aufstocker“ - all jene Menschen, die arbeiten – teilweise Vollzeit – , aber aufgrund zu geringer Löhne oder prekärer Arbeitsbedingungen nicht einmal über den Hartz-IV-Satz für sich bzw. sich und ihre Familie kommen.

Auch für die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte ist oft kein Geld mehr da, viele schämen sich ihrer Situation und brechen daher die Kontakte ab. Auch dies wirkt sich negativ auf Psyche und Gesundheit aus. Im manchen Fällen kommt es regelrecht zur Vereinsamung. Insbesondere viele allein Lebende verzichten in Folge des unstrukturierten Tagesablaufs auf regelmäßige Mahlzeiten, leiden unter Einsamkeit und Resignation.

Ursachen und Wirkungen greifen hier ineinander: wer chronisch oder länger krank ist, wird schneller entlassen und findet auch nicht so schnell wieder einen neuen Job – ist dadurch länger arbeitslos, was sich wiederum negativ auf seine Gesundheit auswirkt. Wer durch den Job krank geworden ist – berufsbedingte Allergien, Rückenschäden, Burn-Out, Arbeitsunfälle – muss sich zusätzlich neu orientieren und ggf. in einem neuen Arbeitsbereich wieder „von vorne anfangen“.

Arbeitsloseninitiativen können mit Treffangeboten, gemeinsamem Frühstück, kreativen Angeboten, Beratung und Selbsthilfetreffs diesem Kreislauf etwas entgegensetzen. Diese Angebote sind ein kleiner Teil - oft nur über Projekte finanziert oder ehrenamtlich getragen,  der zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Arbeitslosen etwas beitragen kann. Um sie aufrecht zu erhalten wären dauerhafte und langfristig abgesicherte Angebote. Notwendig wären auch

  • Kulturseminar - ungleiche Verteilung von GesundheitsleistungenKostenlose Gesundheitsleistungen für Hartz IV Bezieher ohne Zuzahlung

  • der Ausbau der niedrigschwelligen gesundheitspräventiven Angebote für Erwerbslose

  • die Stresssituation „Arbeitslosigkeit“ durch tatsächliche, praktische Unterstützung entschärfen – und nicht durch Bewerbungsdruck und erzwungene Maßnahmen („das sogenannte Fordern“) - noch vergrößern – und das wäre ganz wichtig insbesondere für die Menschen, die bereits psychisch vorbelastet oder chronisch krank sind

  • und letztendlich Armut und die damit verbundenen Belastungen und Risiken zu entschärfen durch die Anhebung der Hartz IV Sätze und die längst überfälligen Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes.


Weitere Informationen und Kampagnen:
Caritas "Armut macht krank" http://www.caritas.de/kampagne2012/fakten/

Weitere Informationen, Konzept- und Projektbeispiele zum Thema Erwerbslosigkeit finden Sie auf folgenden Seiten:
Konzept: Mit Kreativität und Eigeninitiative zum Wiedereinstieg in das Berufsleben - Leitfaden für Kulturprojekte 
Konzept: Qualifizierungsprojekt für Erwerbslose für die Arbeitsloseninitiative Gießen e. V.  
Erwerbslosen-Theater 
Kulturseminar "Alles oder nichts" - kreative Auseinandersetzung mit Armut und Reichtum 
Hörspiel Soziale Gerechtigkeit und Hartz IV  
Skulpturen für Gießen 
Arbeitslosigkeit als Spiel 
  
Anders leben - anders arbeiten
Inklusion
Aktion: Arbeitslosigkeit überbrücken
Auf der Seite Veröffentlichungen finden Sie weitere Artikel zum Thema Erwerbslosigkeit.

Einige Arbeitsloseninitiativen:
Kompass-Initiativen in Südhessen (Darmstadt, Dieburg, Groß Gerau u.a.)
Arbeitsloseninitiative Gießen e. V.
Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis WALI e. V.
Hilfe im Nordend der evangelischen Luthergemeinde Frankfurt


Informationen und Beratung zu Erwerbslosigkeit und Hartz IV auf anderen Seiten:
Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V.: http://www.erwerbslos.de
Anti-Hartz-Bündnis: http://www.anti-hartz.de/
Sozialhilfeberatung Tacheles: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/
Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen e.V.: http://www.bag-shi.de/
Arbeitslosen-Netz mit Forum: www.arbeitslosen-netz.de

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