Empowerment
Netzwerke und Ressourcen für ausgegrenzte Gruppen
Wer
Eigeninitiative und Selbständigkeit fördern will, kommt nicht
weit mit pädagogischen Konzepten, die den Adressaten als
hilfesuchend oder defizitär bezeichnen und damit letztendlich
bevormunden. Insbesondere die Umsetzungen von Projekten können
nur schwer mit passiven "Hilfeempfängern" gelingen. Es bedarf
engagierter Menschen, deren unterschiedliche Kompetenzen in
das Gesamtprojekt einfließen. Viele soziale Einrichtungen wie
zum Beispiel Arbeitsloseninitiativen sind als
Selbsthilfevereine oder -gruppen entstanden und legten von
Anfang an Wert darauf, die Betroffenen nicht als
hilfebedürftig zu definieren.
Einen für diese Ausgangslage angemessenen Arbeitsansatz bietet
das Konzept des "Empowerment", das in den 1990er
Jahren von
Norbert Herringer, Georg Theunissen, Wolfgang Plaute,
Wolfgang Stark entwickelt wurde (siehe www.empowerment.de). Dieses
Konzept respektiert den Menschen in seiner Selbstbestimmung
und seinem "Eigen-Sinn" und verzichtet auf Entmündigung und
bevormundende Hilfen. Es beinhaltet einen festen Glauben an
die Fähigkeit des Individuums, sich selbst zu helfen und zu
verwirklichen. Die Aufgabe der "Helfer" wird in erster Linie
darin gesehen, diese Kräfte zu stärken. Der Fokus liegt auf
der Selbstbestimmung, gleichzeitig ist im Konzept jedoch
vorgesehen, Hilfen anzubieten, die es jenen Menschen
ermöglichen, die Kontrolle über ihr Leben (wieder) zu gewinnen
und ihre eigenen Kräfte und Ressourcen zu nutzen. Das
Empowerment-Konzept unterscheidet sich dabei in
verschiedenster Hinsicht vom herkömmlichen "Fürsorge"-Konzept
in der sozialen Arbeit.
Empowerment ist aber nicht nur von der Fürsorge abzugrenzen,
sondern auch gegenüber der reinen Selbsthilfe. In den
Konzepten des Empowerment geht es insbesondere darum, Prozesse
von Selbsthilfe und Vernetzung dort zu initiieren und zu
unterstützen, wo sie auf der Basis der vorhandenen Ressourcen
der Einzelnen nicht von selbst entstehen können. Das heißt,
dass wie auch immer geartete professionelle Kräfte und
Strukturen notwendig sind, um Empowerment-Prozesse anzuregen
und zu fördern. Empowerment ist somit mehr als ein
selbstorganisierter Hilfeprozess, sondern eine professionelle
Unterstützungs- und Entwicklungsarbeit, deren Kunst darin
besteht, Wachstumsprozesse anzustoßen, ohne sie zu
kontrollieren oder zu bevormunden. Dabei kommt dem "Stiften
von Zusammenhängen" eine besondere Rolle zu. Empowerment ist
nicht nur das Ergebnis einzelfallbezogener Begleitung und
Beratung, sondern das gemeinschaftliche Produkt von Menschen,
die sich zusammenfinden, ihre Kräfte bündeln und beginnen, ihr
Leben in die eigene Hand zu nehmen.
Dies
geht jedoch selten "von selbst", sondern bedarf der
Inszenierung, Aufbauhilfe und der Förderung von
Netzwerkstrukturen. Diese Rolle der Aufbauhilfe kommt der
sozialen Arbeit in Empowermentprojekten zu. Die Herausforderung besteht darin, Prozesse der
Selbsthilfe und Netzwerkbildung anzuregen und zu begleiten,
ohne sie zu steuern. Das bedeutet einerseits, vorhandene
Kompetenzen der Adressat/innen zu erkennen und zu fördern, so
dass sie für den Einzelnen sowie für die anderen Beteiligten
und gegebenenfalls auch für das Gesamtprojekt nutzbar gemacht
werden können. Und es bedeutet andererseits, Menschen, die mit
vielfältigen Problemlagen in eine Einrichtung oder Initiative
kommen, nicht mit diesen allein zu lassen. Konkret heißt das,
die Teilnehmer/innen zu fördern, aber nicht zu überfordern.
Der Fokus liegt dabei auf den Stärken und Kompetenzen – diese
können unserer Ansicht nach jedoch nur weiterentwickelt und
ausgebaut werden, wenn Ängste, Schwächen und Probleme der
Betroffenen nicht tabuisiert werden, sondern ebenfalls ihren
Platz haben.
Kunst- und
Kulturprojekte sind m. E. nach durch ihren
aktivierenden Charakter und die Freiheit der Materialien ganz
besonders geeignet, um Empowermentprozesse anzuregen und zu
verwirklichen. Sie bringen Menschen nicht nur beim Diskutieren
zusammen, sondern im praktischen Tun. Das kann zunächst so
aussehen, dass jede/r für sich gestaltet und sich nach und nach
Kontakte und gegenseitige Unterstützung einstellt, wie zum
Beispiel in einem offenen Atelier oder einer offenen Gruppe.
Oder man arbeitet, wie in einem Kulturprojekt mit einem
gemeinsamen Ziel an der Verwirklichung einer Idee. Ein
Kulturprojekt lebt von der Eigeninitiative der Betroffenen. Sie
erleben sich dort nicht als "Bedürftige", denen etwas
beigebracht wird, sondern als aktiv Schaffende, die sich mit
ihren Fähigkeiten einbringen. Ob nun bei der Arbeit am Stein,
Bild oder Theaterstück oder bei gegenseitigen Tipps zur
persönlichen oder beruflichen Situation – Selbsthilfe und
gegenseitige Unterstützung kann hier entstehen, wird praktiziert
und gelebt.
Ein Theaterprojekt oder eine Kunstausstellung bieten im
Gegensatz zum Flugblatt, auf dessen Text sich geeinigt werden
muss, viel mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Sichtweisen
unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen. Sie erlauben
persönliche Ausdrucksweisen und sind in der Lage,
unterschiedliche Ebenen zu integrieren. Anders als bei formaler
Bürgerbeteiligung, Wahlen oder dem Einbringen von Anträgen muss
sich die Gruppe nicht zwangsläufig auf einen "Wortlaut" einigen.
Verschiedene Aspekte eines Themas können nebeneinander stehen
und sich bereichern.
Grundvoraussetzung
für Empowerment-Projekte sind selbstverständlich die
Freiwilligkeit – sowohl für die Teilnahme am Gesamtprojekt,
als auch an einzelnen Aufgaben. Denn Eigeninitiative und
Engagement können nicht „verordnet“ werden – sie entstehen aus
sich selbst heraus.
Weitere
Informationen zum Thema Empowerment
Auf
dieser Seite:
Viele meiner durchgeführten Projekte
orientieren sich am Empowermentgedanken insbesondere im Bereich
Erwerbslosenarbeit und Stadtteilarbeit.
Konzept / Projekt: "Mit
Kreativität und Eigeninitiative zum Wiedereinstieg in das
Berufsleben" mit Leitfaden
für Kulturprojekte zum Download.
Auf anderen Seiten:
Empowerment - Potentiale nutzen: Seite mit detaillierten Infos,
Grundlagentexten und weiterführenden Texten von Prof. Dr.
Norbert Herringer: www.empowerment.de
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